Mein neuestes Projekt führte mich nach Melilla, eine spanische Eklave an der nordafrikanischen Küste. Die Stadt, die auf 13,5 Quadratkilometern etwa 85.000 Einwohner_innen zählt, wird von einem sechs bis sieben Meter hohen Stacheldrahtzaun umgeben, der sie von ihrem marokkanischen Umland trennt. Errichtet wurde dieser von Militär und Polizei bewachte und mit High-Tech-Geräten ausgestattete Wall, um Flüchtlinge davon abzuhalten, auf europäisches Territorium vorzudringen. Die europäische Außengrenze ist zum Schutz vor illegaler Einwanderung zusätzlich mit Wachtürmen, Bewegungsmeldern, Radar, Nachtsichtkameras und Tränengasbomben gesichert. Außerdem patrouilliert die Guardia Civil. Melilla wird somit zu einer kleinen Version der Festung Europa. Migrant_innen aus Subsahara-Afrika und Syrien stranden an dieser Grenze Europas. Sie campieren in den Waldgebieten des Monte Gurugú oder mieten sich in einem der billigen Hotels in Nador ein und warten auf den „perfekten Moment“. Den 85.000 Einwohner_innen der Stadt stehen etwa 30.000 Flüchtlinge entgegen, die die Möglichkeit, bei ihren Fluchtversuchen zu sterben, ihren bisherigen Lebensumständen vorziehen. Im Mai 2014 kam es zum größten Fluchtversuch seit zehn Jahren: Mehr als tausend Migrant_innen versuchten gleichzeitig den Zaun zu überwinden, nachdem bekannt wurde, dass er nochmals verstärkt würde. Das Auffanglager CETI in Melilla, gebaut für 480 Personen, wird zurzeit von 2.600 Flüchtlingen bewohnt.
Meine Herangehensweise
Wie bei meinen Recherchen zu vorangegangenen Projekten beschäftigen mich vor allem Fragen wie:
- Was bedeutete diese nüchterne Ausgangslage für die Realität?
- Was passiert mit diesen Flüchtlingen, für die das ersehnte Ziel Europa direkt vor Augen, dennoch unerreichbar fern ist?
- Was macht jahrelanges Warten unter menschenunwürdigen Umständen aus den Migrant_innen?
- Was passiert nachdem sie es geschafft haben, den Zaun zu überwinden?
- Wie gehen sie damit um, nun wieder – nur auf der anderen Seite des Zaunes – zu warten?
- Wie ist es in einer Stadt zu leben, die im permanenten Ausnahmezustand ist?
- Wie gehen die Bewohner_innen dieser Stadt mit den Flüchtlingen des überfüllten Lagers um?
Im Zuge einer ersten Recherchereise im April 2014 führte ich zahlreiche Gespräche mit Flüchtlingen auf beiden Seiten der Grenze, mit Stadtbewohner_innen und Flüchtlingsbetreuer_innen, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Zusätzlich hatte ich Gelegenheit, mit einer Hilfsorganisation auf dem Monte Gurugu unterwegs zu sein. Diese Eindrücke bilden die Grundlage für eine Reihe von Arbeiten, an denen ich zum Teil bereits vor Ort zu arbeiten begonnen habe.
Im Rahmen meines einmonatigen Aufenthalts im Oktober 2014 werde ich all diese Erfahrungen vertiefen und meine Beobachtungen mittels dieses Blogs dokumentieren.