Bayeux 2.0
Entstehungsjahr: | 2017 |
Entstehungsort: | Wien, Österreich |
Maße: | 290 x 65 cm |
Material: | Stickerei, Wolle auf Leinen |
Ausstellungen: | |
Kataloge: |
Die historische Tapisserie von Bayeux, fertiggestellt vor 950 Jahren, ist ein fast 70 Meter langes und 50 Zentimeter hohes gesticktes Tuch, das die Ereignisse im Vorfeld der normannischen Eroberung Englands (1064-1066) schildert.
Die auf der Stickerei dargestellte Geschichte ist lang und stellt eine komplexe Reihe von Ereignissen und Beziehungen aus der Sicht des Siegers dar. Diese Erzählung fällt zweifellos in die Kategorie der Propaganda.
Tanja Boukal nutzt diesen Wandteppich, um eine andere Geschichte zu erzählen. Sie reproduziert - authentisch bis ins kleinste Detail - Teile der mittelalterlichen Stickerei, komponiert und kombiniert Szenen, um die Propaganda-Geschichte der EU gegen potenzielle Flüchtlinge zu erzählen.
Das einzige, was geändert wurde, sind die Texte:
"Riskieren Sie nicht Ihr Leben, indem Sie versuchen, nach Europa zu fliehen" (Offizielle Facebook-Seite der deutschen Botschaft in Afghanistan), "Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen" (Österreichs Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz, Interview, veröffentlicht in der Zeitung Die Welt, 13. Jan 2016) und "Nos rues ne sont pas pavées d'or" (Theresa May und Bernard Cazeneuve, Frankreichs Innenminister, gemeinsamer offener Brief, veröffentlicht in der Zeitung Telegraph, 01. August 2015).
Dies sind Zitate aus Interviews und Kampagnen. Diese ausgrenzenden Botschaften werden als humanitäre Anliegen formuliert. In keinem dieser Beispiele heißt es ausdrücklich: "Wir wollen Sie nicht hier haben"; vielmehr wird impliziert, dass die Zielpersonen zu ihrem eigenen Wohl, zu ihrer eigenen Sicherheit, nicht "hierher" kommen sollten.
Das Narrativ wird somit fortgesetzt, und die Botschaften werfen interessante Fragen über die beabsichtigte Zielgruppe auf. Das erklärte Hauptzielpublikum sind potenzielle Migranten, aber das tatsächliche Zielpublikum ist viel breiter und umfasst die europäische Öffentlichkeit sowie die Regierungen der Herkunftsländer der Migranten.
Bayeux 2.0 enthält eine Geschichte, die von einem Vorsatz geprägt ist, der wie beim ursprünglichen Wandteppich von Bayeux durch die Umstände seiner Entstehung und Verwendung bestimmt wird.