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Ci sono

Entstehungsjahr:2025
Entstehungsort:Lampedusa, Italy
Maße:55 × 600 cm
Material:Applikation und Maschinenstickerei auf Baumwolle
Projekte:

„Ci sono“ – ich bin da – ist die gängige Antwort im Messenger-Chat „Molo Favaloro“. Freiwillige auf Lampedusa schreiben es, wenn sie bereit sind, zum Hafen zu fahren. Dort empfangen sie Menschen, die nach einer Rettung aus Seenot an Land gebracht werden.

Der Chat dokumentiert die Ankünfte von Migrant:innen: gebracht von der Küstenwache, der Guardia di Finanza oder von privaten Seenotrettungsorganisationen. Menschen, gerettet aus nicht mehr seetüchtigen Booten oder direkt aus dem Wasser. Ihre Ankunft ist getragen von Hoffnung – und zugleich von der Trauer um ertrunkene Mitreisende, von der Angst vor Rückschiebung, von der Erschöpfung einer gefährlichen Überfahrt.

Das Werk überträgt diese flüchtigen digitalen Botschaften in ein körperliches Medium. Auf sechs Metern Baumwollstoff erscheinen die Chatblasen im vertrauten iOS-Layout, mit Datumspillen, grauen Zeitangaben, Reaktionssymbolen und den kleinen blauen Häkchen. Jede Nachricht ist gestickt, die Absender jedoch anonymisiert: Es geht nicht um Personen, sondern um die Meldungen selbst – um das ständige „Ci sono“, das Verfügbarmachen der eigenen Zeit und Kraft.

Die Stickerei setzt ein mit dem ersten Tag, an dem die Künstlerin selbst Teil dieses Chats wurde. Sie war bei unzähligen Ankünften am Molo Favaloro vor Ort, hat geholfen und das nervöse Warten, das rasche Aufbrechen, das Hoffen und Bangen selbst erfahren. Die Arbeit ist daher sowohl Dokumentation wie auch poetische Verdichtung: ein Protokoll der Hilfsbereitschaft, das die Spannung zwischen Nüchternheit und Dramatik sichtbar macht.

Aufgehängt an der Wand entfaltet das Werk eine Leserichtung von oben nach unten, wie ein realer Chatverlauf. Doch die Länge sprengt den Raum: Sechs Meter Stoff bauschen sich auf dem Boden, lagern sich wie eine Welle, die nicht zu Ende geht. Die Textspur läuft weiter, endlos, so wie die Ankünfte nicht aufhören. Manche Tage sind dicht, andere bleiben leer – dann dominiert die Angst, dass die Route endgültig geschlossen sein könnte und Boote unbemerkt untergehen.

„Ci sono“ erzählt von einer Gemeinschaft, die hinschaut und handelt, wo Politik abwesend bleibt. Es macht sichtbar, dass Hilfe kein abgeschlossenes Ereignis ist, sondern eine endlose Serie von Gesten. Und es erinnert an die Abwesenheit jener, die den Molo Favaloro nie erreichen – die Toten im Meer, die im Chat nicht vorkommen und doch in jeder Zeile mitschwingen.