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selma

Datum:20. Apr. 2007
Veranstaltungsorte:
Arnetzhoferstraße, Wien, Österreich

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über die Reaktionen - Artikel Kulturrisse 2/2007 über die Reaktionen - Unterstützungs E-Mails
das Fest - Redebeitrag von Tanja Boukal das Fest - Fotos

 

Eine Aktion im Rahmen des heurigen ‚Q202 AtelierRundgangs’

Im Stuwerviertel des 2. Wiener Bezirks durch einen Straßennamen verewigt ist Johann Arnezhofer, dessen Taten zwar geschichtlich belegt, aber wenigen bekannt sind. Arnezhofer, im 17. Jahrhundert Pfarrer und Kommissär ‚zur Ordnung der Israelitischen Angelegenheiten’, war ein antisemitischer Hassprediger und mitverantwortlich für die Deportation der Juden aus dem ‚Werd’  unter Leopold I.

Im Rahmen der Kunst-Aktionstage Q202 wird am 20. April in einem Festakt diese Straße nach Selma Steinmetz umbenannt. Für die Idee und Umsetzung der neuen Staßentafeln haben sich Tanja Boukal, eine der Künstlerinnen im Stuwerviertel, und eine Gruppe politisch engagierter BewohnerInnen des Stuwerviertels zusammengetan.

 

Ein Fest(akt) auf der Straße: „Um die Zukunft zu erobern, müssen wir sie zuerst träumen“

„Eine andere Welt ist möglich.“ Die Neu-benennung der Arnezhoferstraße nach Selma Steinmetz als künstlerische Intervention wird am 20. April um 17.30 Uhr in einem Festakt mit dem Titel ‚Etablierung einer temporären Verhüllung’ mit dem Chor der ‚Gegenstimmen’ eröffnet werden, in der (ehemaligen) Arnezhoferstraße vor Ort als Kundgebung und (Protest)Aktion, als Straßen - Fest.

Selma Steinmetz, geboren 1906, wurde als Widerstandskämpferin in der Travail Antiallemand in Südfrankreich im Juni 1944 von der Gestapo verhaftet. Sie überlebte und kehrte nach Wien zurück, wo sie in den folgenden Jahrzehnten wesentlich am Auf- und Ausbau des DÖW (Dokumentarchiv des österreichischen Widerstands) beteiligt war, ihr Engagement dort endete erst mit ihrem Tod im Jahr 1979.

Eine Aufforderung zur Umbenennung der Arnezhoferstrasse durch KünstlerInnen, die im Stuwerviertel arbeiten, gab es in den letzten Jahren bereits, diese wurde jedoch von Gerhard Kubik, dem Bezirksvorsteher, abgewiesen. Auch das Stuwerviertel hat sein ‚historisches Gedächtnis’.

Die Aktion der Umbenennung ist eine Protestform der KünstlerInnen und BewohnerInnen des Viertels, der Bevölkerung, in der nicht nur Widerstand geleistet wird gegen das Abzulehnende, ihr ist auch bereits die ‚Produktion von neuem’, eines kollektiven Gegenentwurfs ‚von unten’ eingeschrieben - kurzfristig wird hier real angesetzt, einen kleinen Teil dieser Welt gemeinsam zu verändern .

 

VERGANGENES GEGENWÄRTIGES: Straßennamen als ‚verräumlichtes Gedächtnis’

Straßennamen sind symbolische Zeichen unserer Gesellschaftsverhältnisse. Der öffentliche Raum als Raum, der uns allen gehört, wird zum Ort durch gelebte Symbiose aus unserer Erinnerung und konkreten materiellen „Dingen“.

Insofern sind auch Straßennamen in vieler Hinsicht prägend für die Konstruktion von Gesellschaftsverhältnissen, Straßennamen, die überwiegend männlich sind. So wird die weiblich geschriebene Geschichte ausgeblendet und unsichtbar.

Das wollen wir ändern. Mit Selma Steinmetz wird an eine Widerstandskämpferin gegen den Faschismus erinnert. Als Mitbegründerin des DÖW (Dokumentarchiv des österreichischen Widerstands) hat sie nach dem Krieg viel dazu beigetragen, dass das kollektive Gedächtnis hierzulande gewissermaßen umgeschrieben wird - wenn auch noch immer unzureichend. In diesem Zusammenhang sehen wir diese Erinnerung an Selma Steinmetz auch als Symbol für die aktuellen und nicht enden wollenden Menschenrechtsverletzungen und Alltagsrassismen in Österreich. Mit dem deklarativen Satz „Ich bin nicht rassistisch“ wird noch kein Widerstand geleistet; um ihn zu leben, ist konkretes Handeln erforderlich.

Ziviler Ungehorsam und/oder Zivilcourage sind hierzulande nicht besonders ausgeprägt, diese (künstlerische) Intervention ist deshalb eine gute Gelegenheit, vorhandene Potentiale zusammenzubündeln, um solche Schritte und Handlungen zu setzen.

Gerade im Stuwerviertel ist es eine Notwendigkeit, im Stuwerviertel, wo viele Migranten und Migrantinnen leben, wo es das sogenannte „Prostitutionsproblem“ gibt, wo die Polizei laufend Razzien durchführt, um so genannte „Illegale“ zu fassen, wo die Straße, die wir umbenennen wollen, immer noch den Namen eines Antisemiten und des einstigen Mitverantwortlichen für die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus dem Viertel trägt.

Und das ist nicht alles: Diese realpolitische Geschichte hat in ihren Strukturen eine Kontinuität, die sich heute im Fremdenrecht niederschlägt: Menschen werden ausgewiesen, abgeschoben, kriminalisiert, illegalisiert, verprügelt, gefoltert, getötet. Deshalb richtet sich unsere Forderung nach der Umbenennung in Selma-Steimetz-Straße auf einer allgemeinen Ebene auch gegen das Unrecht schlechthin in diesem Land, in dem die BürgerInnenrechte de facto eigentlich StaatsbürgerInnenrechte sind. I n der Hinsicht ist diese Forderung auch als ein kleiner, aber in die Zukunft wirkender Schritt in Richtung Gerechtigkeit und Gleichheit zu sehen, in eine Welt, die viele Steinmetze und Steinmetzinnen braucht, um en dlich einmal für alle da zu sein.

Programm:

Freitag, 20. April, 17.00 Uhr Eröffnung Arnezhoferstrasse/Ecke Wolfgang-Schmälzl-Gasse

Eröffnung: Chor der ‚Gegenstimmen’ unter Leitung von Erke Duit.

Begrüßung durch das Stuwerkomitee

Redebeiträge:

Tanja Boukal: Statement zur (künstlerischen) Intervention „Einweihung der temporären Verhüllung“
Stuwer-Komitee: Thesenrap: öffentlicher Raum und Zivilcourage
Irma Schwager, Widerstandskämpferin in der „Travail Antiallemand“

Ramba Samba, Wiens Frauentrommelgruppe

anschließend

Q202 feiert mit den BesucherInnen auf der Straße!
mit Musik, Essens- und Getränkestandln der benachbarten Lokale

 

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